Nach einem Blick auf die aktuelle Situation am Wohnungsmarkt in Deutschland und Hessen befassten sich Praxisbeispiele mit der Weiterentwicklung leerstehender Gebäude, Ergänzung bestehender Ensembles oder mit neuen Quartieren im Stadt- oder Ortskern. Thematisiert wurden auch nachhaltige Bauweisen, Einsatz von Holz und recycelten Materialien, Barrierefreiheit und gemeinwohlorientierte Akteure.
Mit der sanierten Stadthalle hat auch die Stadt Hattersheim gute Erfahrungen mit der „Wiedernutzung“ eines Bestandsgebäudes gemacht. Die Halle aus den späten 1960er Jahren mit vielen originalgetreuen Details hat eine Denkmalauszeichnung erhalten und erweist sich in der Nutzung als sehr einladend und effizient, so Bürgermeister Schindling, „die Bürgerinnen und Bürger sind sehr stolz auf Ihre Halle, mit der Jahrzehnte zurückreichende Erinnerungen verbunden sind“.
Staatssekretärin Fröhlich: Austausch ist zentral
„Die Schaffung von neuem Wohnraum steht für uns im Mittelpunkt, egal ob Neubau, Bauen im Bestand oder Nutzung von Leerständen. Der Austausch mit den Kommunen und denjenigen Menschen, die direkt in potenzielle Umbaumaßnahmen im Bestand involviert sind, ist dabei für uns von unschätzbarem Wert. Mit ihrer Hilfe können wir Herausforderungen definieren, Potenziale erkennen und Lösungen formulieren. Und auch die Akzeptanz von Baurecycling wird nur dann wachsen, wenn wir die Betroffenen mitnehmen. Der Austausch im Bündnis für Wohnen ist entscheidend, um die Rahmbedingungen für mehr Wohnraum zu gezielt zu verbessern“, betonte Staatssekretärin Ines Fröhlich anlässlich der Bündnissitzung.
„Wenn wir den Wohnraummangel ernsthaft angehen wollen, müssen wir den Bestand weiter in den Fokus rücken, dazu gehört auch eine intensive Beschäftigung mit der Wiederverwendung von Materialien“, betonte Dr. Michael Bruder, Abteilungsleiter im hessischen Wirtschaftsministerium im Rahmen der Veranstaltung. „Gerade in Zeiten hoher Baukosten und knapper Flächen ist der intelligente Umgang mit dem Bestand ein Schlüssel zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Durch kluge Umnutzung, Aufstockung oder Nachverdichtung können zusätzliche Wohnungen entstehen – ressourcenschonend, sozial integriert und mit deutlich geringerem Flächenverbrauch als bei Neubauten.“
So bieten sich Wohnsiedlungen der 1950er und 1960er Jahre mit bereits vorhandener Infrastruktur zur Nachverdichtung an, zeichnen sich aber gleichzeitig auch durch ihre aufgelockerte Bauweise und ihre wertvollen Grünflächen und Baumbestände aus. Thomas Steininger von der gewobau Rüsselsheim verdeutlichte in seinem Beitrag, wie es am Hessenring in Rüsselsheim gelang, diese Qualitäten trotz zusätzlicher Wohneinheiten zu erhalten, indem die Bestandsbauten in Holzbauweise aufgestockt wurden und die ergänzenden Neubauten den Baumbestand respektierten.
Neue Chancen für alte Klinikareale
Aber auch aus der Nutzung gefallene große Klinikliegenschaften mit in Teilen erhaltenswerter Bausubstanz – eine Folge von Strukturreformen im Gesundheitsbereich - können eine Zukunft als nachhaltiges und lebenswertes Quartier haben, wie Markus Staedt über das Areal in Homberg / Efze berichtete.
Hinzu kommen Raumpotenziale in den Städten, beispielsweise aus den Bereichen Handel, Arbeit, Mobilität, Religion, die erst in Zukunft für neue Nutzungen bereitstehen werden und - auch für Wohnen - neu gedacht werden müssen. Obsolete Raumpotenziale und ihre Wiedernutzung waren das Thema von Prof. Stefan Rettich, der an der Universität Kassel lehrt.
In drei Foren am Nachmittag wurden geeignete Strategien und Instrumente zur Bestandsentwicklung, die Kooperation mit gemeinwohlorientierten Akteuren, nachhaltige Bauweisen und die Wiedernutzung von Baumaterialien vertieft.
Die Konferenz bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gelegenheit, Fachleute aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu hören. Zudem präsentierten renommierte Architekturbüros aus Kassel, Frankfurt und Berlin innovative Konzepte für die Nachverdichtung und Transformation von Stadträumen. Auch Vertreterinnen und Vertreter von Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Kommunen gaben wertvolle Einblicke in erfolgreiche Projekte und die praktischen Herausforderungen bei der Umsetzung von Bestandsumnutzung. Diese interdisziplinäre Expertise machte die Konferenz zu einem echten Forum für den Austausch von Lösungen und Best Practices.
Im Anschluss daran bestand die Möglichkeit zur Besichtigung des o.g. Projekts „Hessenring“ in Rüsselsheim am Main.